Am 27. November fand die 5. Österreichische Neobiota-Tagung in Wien statt. Dabei wurde Bilanz über die aktuelle Lage in Österreich gezogen. Doch worum handelt es sich bei "Neobiota" eigentlich?
Was sind Neobiota?
Neobiota sind gebietsfremde Arten, die nach 1492 mit direkter oder indirekter menschlicher Hilfe in eine Region gelangt sind, in der sie nicht heimisch sind und dann dort selbstproduzierende Populationen bilden. Der Begriff Neobiota kann aufgeteilt werden in "Neophyta" (gebietsfremde Pflanzenarten), "Neozoa" (gebietsfremde Tierarten) und "Neomyceta" (gebietsfremde Pilze und Mikroben). Wichtig ist dabei die Unterscheidung von eingeschleppten gebietsfremden Arten, und solchen, die von selbst einwandern. Sei es durch den Klimawandel oder beispielsweise auch durch Veränderung der Landnutzung. Eine Abgrenzung ist jedoch immer einfach: Problematisch wird es, wenn eingeschleppte Arten ein invasives Potential entwickeln, also einen negativen Einfluss auf die heimische Biodiversität haben.
Wie ist die Lage in Österreich?
Bei der Tagung vorgestellt wurden aktuelle Informationen zu gebietsfremden Arten in Österreich. Auch ein erfreulicher Austausch zu Erfahrungen im Management von Neophyten, was auch für die Arbeit der Schutzgebietsverwaltung relevant und wertvolles vorhandenes Knowhow ist.
Neue gebietsfremde Tierarten wurden von Wolfgang Rabitsch (Umweltbundesamt, Wien) und neue gebietsfremde Pflanzenarten von Franz Essl (Universität Wien) präsentiert.
Dabei stellte sich vor allem folgendes für Neozoa heraus:
- Neozoa haben seit 2002 um 50% zugenommen (Wanzen zeigen sogar eine fünffache Zunahme)
- aktuell sind in Österreich über 500 etablierte gebietsfremde Tierarten bekannt, Trend steigend.
- Meist ist über die Auswirkungen sowie das invasive Potential (noch) wenig bekannt.
- prominente Beispiele: Muntjak, Waschbär, Mink, asiatischer Marienkäfer, Tigermücke, Signalkrebs, Buchsbaumzünsler, Asiatische Hornisse ...
- auch weniger präsente Organismengruppen wie Landplanarien (Plattwürmer) spielen eine wichtige Rolle!
- gebietsfremde Amphibien und Reptilien kommen vor allem durch Aussetzungen vor, besonders Schildkröten (Silke Schweiger, NHM Wien).
- besonders gebietsfremde Fische und aquatische Wirbellose sind in Österreich häufig und üben negative Auswirkungen auf Ökologie und Wirtschaft aus (Clemens Ratschan & Michael Jung, Clemens Gumpinger)
Für die Neophyta in Österreich gilt folgendes:
- Zahl der Neophyta ist in den letzten 20 Jahren ebenfalls um knapp 50% angestiegen.
- Hotspots: Wien und Niederösterreich aufgrund von Klima und Bevölkerungsdichte
- Ragweed (Ambrosia artemisiifolia): seit einem halben Jahrhundert in Österreich, verursacht in landwirtschaftlichen Kulturen Schaden und gesundheitliche Probleme bei Menschen (starke Allergien). Die Pflanze produziert und verbreitet eine enorme Menge an Pollen, wodurch sie sich weitgehend verbreiten kann. Die Dunkelziffer des Vorkommens ist sehr hoch.
- weitere prominente Beispiele: Schmetterlingsflieder, Japanischer Staudenknöterich, Topinambur, Stechapfel, Götterbaum, Robinie (Akazie), Drüsiges Springkraut, ...
- Einschleppung erfolgte oft unbeabsichtigt, oft auch gar nicht bekannt.
- Gestörte, anthropogen veränderte Lebensräume können leicht besiedelt werden und dienen dann quasi als Sprungbrett für die invasiven Arten auch in intakte Ökosysteme vorzudringen, dort heimische Arten zu verdrängen und das ganze System zu verändern.
- besonders landwirtschaftlich genutzte Flächen sind davon betroffen: Hotspots für Pflanzeninvasionen in Mitteleuropa
Bei den Beispielen für Neomyceten seien vor allem folgende für Tiere pathogene Pilze genannt:
- Krebspest (Aphanomyces astaci) durch den Signalkrebs eingeschleppt, sorgt für dramatische Rückgänge unserer Flusskrebse
- Salamanderfresser (Batrachochytrium salamandrivorans, Bsal) durch Terrarienhaltung eingeschleppt, befällt vor allem Feuersalamander und hat eine Letalität von über 90%. (Wir berichteten)
Management von Neobiota
Der zweite Teil der Tagung war mit Beispielen aus dem Management von Neophyten praxisorientierter. Konrad Pagitz (Universität Innsbruck) gab Einblicke in die Aktivitäten des Neophyten-Kompetenzzentrums in Tirol, welches als Drehscheibe, Anlaufstelle und Informationsplattform für das Neophyten-Thema fungiert. Auch die Neophyten-Bekämpfung in Salzburger Schutzgebieten wurde von Andreas Hofer (Salzburger LR) anhand von Praxisbeispielen thematisiert.
Manuel Denner präsentierte eine erfolgreiche Feldstudie zur Bekämpfung des Götterbaums (Ailanthus altissima) im Steinbergwald, Weinviertel. Eine auch diskutierte Bekämpfungsmethode, die sich bewährt hat, ist die Injektion des Welkepilzes (Verticilium nonaflalfae) in die Leitungsbahnen der Bäume (Ailantex).
Auch für die österreichische Infrastruktur sind Neophyten ein Thema: Thomas Schuh von der ÖBB-Infrastruktur zeigte die Herausforderungen bei Bau und Betrieb der Eisenbahn in Bezug auf siderodromophile (Pflanzen, die auf Bahnstrecken wachsen) Neophyten auf. Wer ein geschultes Auge hat, erkennt die Problematik sobald man bei einer Bahnfahrt aus dem Fenster blickt: das 5000 km lange Streckennetz der ÖBB ist ein idealer Ausbreitungskorridor. Aufgearbeitet wird das ganze bei der ÖBB in Form von Forschungsprojekten, wissenschaftlichen Arbeiten, Kooperationen mit Universitäten etc. sowie Schulungen und Infofoldern.
Ein großer Kritikpunkt, der immer wieder aufkam: Viele der Arten, die invasives Potential haben, können immer noch im Handel käuflich erworben und legal angepflanzt werden. Als Beispiel sei hier der Kirschlorbeer genannt, eine der beliebtesten Gartenpflanzen Österreichs. Um auf seine negativen Einwirkungen auf die heimische Natur aufmerksam zu machen, wurde der Kirschloorbeer als "Alien des Jahres 2026" ausgewählt.
Wie ist die Lage im Wildnisgebiet?
Das Auftreten von Neophyten wurde bisher ausschließlich entlang von Straßen dokumentiert, daher kann von einer Einschleppung den Menschen auch hier ausgegangen werden. Etablieren konnten sie sich daraufhin erstmals auf gestörten Standorten, um von dort aus um sich zu greifen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um das Drüsige Springkraut, sowie den Japanischen Staudenknöterich. Verglichen mit anderen Flächen außerhalb verläuft diese Ausbreitung langsamer, was auf die Schwierigkeit zurückzuführen sein könnte, sich in gesunden Ökosystemen zu etablieren. Doch gerade weil es im Wildnisgebiet um herausragende Lebensräume, hohe Schutzgüter und viele seltene Arten geht, sind Neophyten-Monitoring und rasches (IUCN-konformes) Eingreifen in der ersten Phase besonders wichtig! Eine etwaige Bekämpfung muss "wildnisgebietskonform" sein, also minimalinvasiv und mit vertretbaren Mitteln, wie dem Abmähen von Springkraut oder dem manuellen Ausgraben sowie dem Ausdunkeln (siehe Abbildung) vom Staudenknöterich. Um hier erfolgreich sein zu können, ist der frühe Zeitpunkt in der initialen Phase von großer Bedeutung. Den „Handlungsspielraum“ gibt der Managementplan vor.

Take Home Message
Um die gewaltige Zunahme der Neobiota in Österreich und weltweit nachvollziehen zu können, ist es erforderlich sich die generellen Auswirkungen des Anthropozäns zu vergegenwärtigen. Diesen Überblick gab Franz Essl (Wissenschaftler des Jahres 2022) mit seinen prägnanten Ausführungen über die Welt wie sie einmal war, und inzwischen innerhalb kürzester Zeit nicht mehr ist. Ein Indikator dieser menschengemachten Veränderung, ist die menschliche Dominanz der Biosphäre, wie sie auf folgender Grafik zu sehen ist: Wildtiere nehmen nur noch 4% der globalen Biomasse der Säugetiere ein, der Rest sind wir und unsere Nutztiere. Riesige Flächen auf unserem Planeten, die erst vor 100 bis 250 Jahren eine intensive Nutzung erfahren haben, erfahren eine massive Veränderung innerhalb kürzester Zeit. Ein weiterer Aspekt ist die Globalisierung: Was getrennt war, wurde verbunden. die Gesamtkosten von „invasiven alien species“ in Europa im Zeitraum (1960 – 2020) auf rund 116,61 Mrd. Euro geschätzt. Im Management ist immer eine Abwägung von Kosten, Nutzen und Schäden, die durch eine Bekämpfung entstehen können durchzuführen und die Umgangsweise im Einzelfall zu entscheiden.








