Jedes Jahr im Oktober richtet sich der Blick vieler Naturfreunde gen Himmel: Über Europa ziehen Millionen Zugvögel in ihre südlichen Überwinterungsgebiete. Der Weltzugvogeltag, der zweimal jährlich (im Mai und im Oktober) begangen wird, erinnert an die beeindruckenden Leistungen dieser Tiere – und an die wachsenden Herausforderungen, denen sie auf ihren Reisen begegnen.
Die große Reise in den Süden
Mit dem Herbstbeginn verändert sich das Nahrungsangebot in Europa. Insekten werden rar, Gewässer kühlen ab, und Felder werden abgeerntet – ein Signal für zahlreiche Vogelarten, ihre Brutgebiete zu verlassen. Arten wie Schwalben, Mauersegler, Störche, Grasmücken oder Rohrdommeln machen sich auf den Weg in den Mittelmeerraum, nach Afrika oder bis in den Nahen Osten.
Diese Wanderungen folgen uralten Routen, den sogenannten Zugkorridoren, die über Jahrtausende hinweg von Generationen genutzt werden. Moderne Technologien wie GPS-Tracking erlauben es Wissenschaftler*innen heute, diese Wege genau zu verfolgen – und zeigen, wie weit und gefährlich sie oft sind.
Gefahren auf der Reise
Der Vogelzug ist ein Naturwunder – aber eines, das zunehmend bedroht ist. In Europa und entlang der Zugrouten stoßen viele Vögel auf Hindernisse:
- Lebensraumverlust und Verlust von Rastplätzen durch intensive Landwirtschaft, Bebauung und Trockenlegung von Feuchtgebieten.
- Illegale Jagd und Fang – besonders im Mittelmeerraum, wo Millionen Vögel jedes Jahr Opfer von Netzen und Fallen werden.
- Klimawandel, der Nahrungszyklen verschiebt und Rastplätze austrocknen lässt.
- Lichtverschmutzung und Glasfassaden, die Zugvögel in Städten desorientieren oder verletzen.
Laut dem European Bird Census Council sind inzwischen viele Langstreckenzieher im Bestand rückläufig – darunter der Kuckuck, der Gartenrotschwanz und der Pirol.
Mehr zur illegalen Zugvogeljagd im Mittelmeerraum hier!
Schutzinitiativen und internationale Zusammenarbeit
Der Weltzugvogeltag wird von der UN-Organisation AEWA (Abkommen zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel) und dem Übereinkommen zur Erhaltung wandernder wildlebender Tierarten (CMS) organisiert. Sein Ziel ist es, Bewusstsein für den Schutz der Zugvögel und ihrer Lebensräume zu schaffen.
In Europa engagieren sich zahlreiche Organisationen, etwa BirdLife International, der NABU oder der LPO in Frankreich, mit Projekten zur Wiederherstellung von Rastplätzen, Aufklärungskampagnen und Forschung.
Hoffnung am Himmel
Trotz der Bedrohungen gibt es auch positive Entwicklungen: Feuchtgebiete wie das Wattenmeer oder der Neusiedler See genießen internationalen Schutzstatus und bieten Millionen Vögeln sichere Rastplätze. Umweltbildung, Vogelkundemuseen und Beobachtungsstationen tragen dazu bei, dass die Faszination des Vogelzugs lebendig bleibt.
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Zugvögel im Wildnisgebiet
Auch das Wildnisgebiet stellt einen wichtigen Rastplatz für ziehende Vögel dar. Hier können sie ungestört Kraft tanken, bevor die lange und anstrengende Reise wieder weitergeht. So gibt es einige Nachweise von seltenen Greifvögeln wie zum Beispiel Bartgeier und Kaiseradler. Auch Limikolen (Watvögel) oder andere Nicht-Singvögel wie der Wiedehopf lassen sich teilweise bei ihrer Rast beobachten. Es ist davon auszugehen, dass viel mehr Zugvogelarten im Wildnisgebiet rasten oder durchziehen.
Der Weltzugvogeltag im Herbst erinnert uns daran, dass Zugvögel Botschafter einer vernetzten Welt sind – und dass ihr Schutz grenzüberschreitendes Denken erfordert. Jede*r kann dazu beitragen: durch vogelfreundliche Gärten, weniger Lichtverschmutzung, Unterstützung von Naturschutzorganisationen oder bewusstes Konsumverhalten.

Fotocredit: Gerhard Rotheneder